Der Text stammt aus der Informationsbroschüre „Psychische Gesundheit im Kindes- und Jugendalter“, herausgegeben im Jahr 2014 vom Verband Ariadne und der Autonomen Provinz Bozen, Amt für Krankenhäuser unter der Mitarbeit von Veronika Hafner, Donatella Arcangeli, Luigi Basso, Irene Berti, Giovanni Cappello, Andreas Conca, Giulia Parolin, Roger Pycha und Georg Vallazza.

Schizophrenie ist eine psychische Erkrankung, die durch Anomalien des Denkens, Wahrnehmungsstörungen im sensorischen und emotionalen Bereich gekennzeichnet ist. Sie führt zu Veränderungen im Verhalten des Kindes und des Jugendlichen und zu Schwierigkeiten im kognitiven und affektiven Bereich und wirkt sich negativ auf die sozialen Fähigkeiten aus.

Häufigkeit
Im Kindes- und Jugendalter tritt die Schizophrenie seltener als im Erwachsenenalter auf und zeigt einige Besonderheiten. Kinder vor dem 13. Lebensjahr sind in 0,01 % der Fälle betroffen, während Jugendliche vor dem 17. Lebensjahr in 0,5 % daran leiden. Eine frühe und korrekte Diagnosestellung mit entsprechender Behandlung erleichtert die Heilungschancen und wirkt sich auch vorbeugend aus. Bei Kindern und Jugendlichen ist der Krankheitsbeginn häufig schleichend, die Symptome treten erst nach und nach auf und sind zunächst nur sehr unspezifisch (sozialer Rückzug und Isolation, Rückgang der schulischen Leistungen, körperliche Symptome, bizarre Vorstellungen). Die betroffenen Kinder haben oft im Vorfeld der Erkrankung eine verzögerte sprachliche und motorische Entwicklung, eingeschränkte zwischenmenschliche Beziehungen und Schwierigkeiten in der Schule.

Der Krankheitsverlauf ist unterschiedlich, je nach Alter und Erscheinungsbild. Es gibt Formen, die durch eine einzelne akute schizophrene Episode gekennzeichnet sind, andere, die einen immer wiederkehrenden wellenförmigen Verlauf aufweisen; wiederum andere verlaufen chronisch.

Klinische Merkmale und diagnostische Kriterien
Die diagnostischen Kriterien, die für die Diagnose von Schizophrenie bei Kindern und Jugendlichen angewandt werden, beziehen sich auf das internationale Handbuch für psychische Störungen („DSM – Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“) und sind die gleichen wie die für Erwachsene. Sie beinhalten Folgendes:

Das Vorhandensein von mindestens 2 der folgenden charakteristischen Symptome, jedes für die Dauer eines Monats: Wahn, Halluzinationen, desorganisierte Sprechweise, katatones oder grob desorganisiertes Verhalten, Negativsymptome. Soziale, berufliche oder schulische Leistungseinbußen: Kompetenzen in diesen Funktionsbereichen gehen verloren oder werden, wenn der Ausbruch der Krankheit früh erfolgt, erst gar nicht erworben.

Es müssen andere psychiatrische Störungen, alle denkbaren organischen Ursachen sowie ein Auslösen durch psychotrope Substanzen (z. B. Drogen) ausgeschlossen und die Diagnose vom Autismus-Spektrum abgegrenzt werden.

Man kann die charakteristischen Symptome der Schizophrenie in positive, negative und katatone Symptome, die bei Kindern und Jugendlichen einige Besonderheiten aufweisen, unterteilen.

Zu den Positivsymptomen zählen:
Halluzinationen wie z. B. Stimmen hören, Wahnvorstellungen wie z. B. Verfolgungswahn und Größenwahn, inkohärente Sprechweise und unlogische Gedanken.

Die Negativsymptomatik umfasst: Affektveränderungen von Gefühllosigkeit bis zu Gefühlen, die nicht zur Situation passen, Aufmerksamkeitsststörungen, mangelnde Selbstfürsorge, sozialer Rückzug, Sprachverzögerung und verlangsamte Bewegungen.

Zu den katatonen Symtomen zählen: Erregungs- und Erstarrungszustände, Negativismus (absolute Verweigerung irgendetwas zu tun), Mutismus, bizarres Verhalten und Sprechen, stereotypes Verhalten.

Diagnostische Untersuchungen
Die Diagnose Schizophrenie setzt immer eine sorgfältige und umfassende psychiatrische, neurologische, medizinische und psychologische Abklärung voraus. Neben dem Ausfüllen von Fragebögen und dem Arzt-Patienten-Gespräch ist es empfehlenswert, Funktion und Struktur des Nervensystems mittels technischer Zusatzuntersuchungen, wie z. B. der Magnetresonanz des Gehirns und das Messen von Hirnströmen, zu erfassen. Auch Blut- und Urinproben werden durchgeführt, um den Allgemeinzustand des Patienten/der Patientin zu untersuchen und einen eventuellen Substanzmissbrauch auszuschließen.

Differentialdagnose und Komorbidität
Auch bei anderen Störungen machen sich bei Kindern und Jugendlichen psychotische Symptome bemerkbar. Daher ist eine klinische Abgrenzung der Schizophrenie von anderen Krankheitsbildern wichtig, insbesondere von den affektiven Störungen (Depressionen, bipolare Störung), von der schizoaffektiven Störung, der posttraumatischen Belastungsstörung sowie den Zwangsstörungen. Zu berücksichtigen sind auch Störungen des autistischen Spektrums bei besonders kleinen Kindern und Persönlichkeitsstörungen bei Jugendlichen (vor allem schizotypische, schizoide, paranoide und vermeidende Persönlichkeitsstörungen).

Andererseits ist es sehr häufig (> 70 %), dass bei Kindern und Jugendlichen mit Schizophrenie Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, Verhaltensstörungen, depressive Störungen, Angst- und Zwangsstörungen gemeinsam mit auftreten.

Ursachen
Die Ursachen für die Entstehung einer Schizophrenie sind nicht gänzlich geklärt. Es scheint, dass an der Pathogenese sowohl genetische, als auch Umweltfaktoren beteiligt sind. Für die ersteren sprechen einige Studien, die mit Zwillingen und adoptierten Kindern durchgeführt wurden: Kinder, in deren Familien bereits andere schizophren sind, erkranken häufiger selbst an dieser psychotischen Störung, besonders an der frühen Form. Tatsächlich spielen aber auch vorgeburtliche Umweltfaktoren (Infektionen der Mutter, schlechte Ernährung oder Stress in der Schwangerschaft) und postnatale Faktoren (Komplikationen bei der Geburt, belastende Ereignisse, Drogen …) eine Rolle. Als Erklärungsmodell dient das biopsychosoziale Konzept, gemäß welchem die Verschränkung der verschiedenen Faktoren das Auftreten der Krankheit beim Einzelnen bedingt.

Behandlung
Die Krankheit kann behandelt werden. Die therapeutische Behandlung der Schizophrenie orientiert sich an dem bio-psychosozialen und pädagogisch-rechtlichen Ansatz und erfolgt multimodal, d. h., dass neben einer medikamentösen Behandlung immer auch psychotherapeutisch/psychoedukative sowie soziotherapeutisch-pädagogische Maßnahmen notwendig sind. Dementsprechend setzt sich das Behandlungsteam aus verschiedenen Berufsgruppen zusammen, deren Koordinierung größtmögliche Effizienz und Patientenorientierung garantieren soll.

Medikamente stellen einen wichtigen Baustein der Behandlung dar und müssen frühzeitig verabreicht werden, um den Krankheitsverlauf positiv zu beinflussen. Deren Einsatz ermöglicht die Besserung der Positiv- und Negativsymptome sowie der katatonen Symptomatik und erleichtert die Anwendung weiterführender psycho- und soziotherapeutischer Maßnahmen. Vielfach werden Antipsychotika eingesetzt. Einige von ihnen sind auch für Kinder zugelassen, wie zum Beispiel Risperidon, Olanzapin, Quetiapin, Aripiprazol und Clozapin. Es werden bei Patienten/Patientinnen regelmäßige Kontrolluntersuchungen durchgeführt, um die klinische Wirksamkeit und das mögliche Auftreten von Nebenwirkungen zu überwachen, auch durch die Durchführung von Blutuntersuchungen und EKGs.

Einige neuere Studien weisen auf eine unterstützende Wirksamkeit der Verabreichung von Omega-3-Fettsäuren, Nahrungsergänzungsmitteln ohne signifikante Nebenwirkungen, hin.

Wichtig sind letztendlich auch eine gute Beratung, sowie die psychologische und psychoedukative Unterstützung der Patienten/Patientinnen und ihrer Angehörigen, Verhaltenstherapien, soziale und kognitive Rehabilitation, Unterstützung und Hilfe bei der schulischen und sozialen Wiedereingliederung der psychisch kranken Jugendlichen.