Einführung von Martin Achmüller

Es war ein vielversprechender Titel, den unser Verband für die Jahrestagung in Bozen am 16. November 2023 ausgesucht hatte. Allein der Begriff „Sozialpsychiatrie“ bedeutet „Wie leben psychisch erkrankte Menschen in unserer Gemeinschaft?“. Dazu wurde die Entstehung des Psychiatrieplans vor über 30 Jahren vorgestellt, (also die VERGANGENHEIT), die Begleitung von Menschen mit psychischer Erkrankung (psychosoziale Rehabilitation, also GEGENWART) mit Überlegungen zu ihrer Selbstbestimmung, und schließlich gab es die herausfordernde Frage, ob wir an einer Endstation angelangt sind oder ob noch weitere Wege (in die ZUKUNFT) not-wendig sind.

Die große Anzahl an Teilnehmer*innen bestätigte, dass es nach wie vor ein brennendes Problem ist.

Die VERGANGENHEIT bedeutete, dass mit „psychisch krank“ lange Jahre „Pergine“ assoziiert wurde, also ein „Irrenhaus“, die Vergangenheit erwähnte die „Basaglia-Reform“, durch die die Psychiatrie „menschlich“ werden sollte, zeigte aber zugleich auf, dass die Psychiatrie nicht im Gesundheitswesen angesiedelt war, sondern im Ressort „Handel und Industrie“ (!!!) … und erinnerte letztlich an den bestimmt zukunftsweisenden Psychiatrieplan in Südtirol, der 1996 genehmigt wurde.

Die GEGENWART zeigte auf, dass dieser Plan leider nach über 30 Jahren noch immer nicht komplett verwirklicht und damit zum Teil schon wieder überholt ist. Trotzdem kann man im Rückblick sagen, dass sich die Situation der psychisch erkrankten Menschen bei uns deutlich verbessert hat (psychiatrische Abteilungen in 4 Krankenhäusern, die Zentren für psychische Gesundheit auf dem Territorium, der Einsatz vieler Menschen – Betroffener und Angehöriger – für die „psychische Gesundheit aller“…).

Und die ZUKUNFT? Wann wird es so weit sein, dass man nicht nur „psychische Krankheit“ als Faktum erkennt und akzeptiert, sondern die „psychisch Erkrankten“ annimmt, integriert, inkludiert? Wann werden die gesetzlich verankerten Grundrechte von Menschen mit Beeinträchtigung (und dazu gehören auch Menschen mit psychischen Erkrankungen) nicht nur „monitoriert“ (also aufgezeigt und eingefordert, weil noch immer nicht umgesetzt…) werden müssen, sondern eine absolute Selbstverständlichkeit sein?

Fazit: Wir sind „GEMEINSAM UNTERWEGS“ – aber die Endstation haben wir noch lange nicht erreicht; es scheint noch ein sehr langer Weg vor uns zu sein.

 

Einen ausführlichen Bericht zur Tagung finden alle Interessierten in der Verbandszeitung Selbsthilfe – Auto Aiuto Nr. 03/2023.

 

Hier die Unterlagen zur Tagung:

Psychosoziale Rehabilitation: eine Herausforderung (in italienischer Sprache)
Monica Tonietto, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutin, Verantwortliche für Rehabilitation des Psychiatrischen Dienstes Bozen

Was ist ein autonomes Leben?
Georg Siller, Philosophielehrer am Sprachengymnasium Meran

Psychiatrieplan: Entstehung, Eckpfeiler, Entwicklung
Günter Staffler, von 1990 bis 1995 Mitarbeiter und dann stellvertretender Amtsdirektor im Landesassessorat für Gesundheit und Soziales und in der Folge von 1995 bis 2020 Direktor der Sozialdienste der Bezirksgemeinschaft Salten-Schlern