Der Text stammt aus der Informationsbroschüre „Psychische Gesundheit – was ist das?“, Seite 3 bis 9, herausgegeben im Jahr 2009 von der Autonomen Provinz Bozen, Amt für Gesundheitssprengel (2. überarbeitete Auflage).
Was ist Burnout?
Burnout (engl. für „Ausbrennen“) ist ein seelischer, geistiger und körperlicher Erschöpfungszustand. Die Erschöpfung hält über einen längeren Zeitraum an und ist verbunden mit Gefühlen der Leere und der Sinnlosigkeit. Betroffene beklagen ein geringes Selbstwertgefühl und eine negative Einstellung zur Arbeit, aber auch sich selbst und anderen gegenüber. Burnout ist keine psychische Krankheit, sondern ein Risikofaktor für Depressionen, Angststörungen, psychosomatische Störungen und Suchterkrankungen. Es ist also eine mögliche Vorstufe oder der Begleitzustand einer seelischen oder körperlichen Erkrankung. Burnout wird im Volksmund als „Manager-Krankheit“ bezeichnet, weil starker Arbeitsdruck oft Auslöser ist. Betroffene sind häufig Menschen, die in sozialen Berufen tätig sind, sowie mehrfach belastete Personen und Menschen in Führungspositionen. Schätzungen und Studien zu Folge ist die Anzahl von Betroffenen in den letzten Jahren stark im Steigen.
Wie zeigt sich Burnout?
Burnout zeigt sich auf drei Ebenen: der gefühlsmäßigen, der geistigen und der körperlichen Ebene. Die schlechte Befindlichkeit wird lange verdrängt und verleugnet und tritt meist durch ein Schlüsselerlebnis in das Bewusstsein. Das kann eine Kurzschlussreaktion, ein großer Fehler, eine schreckhafte Erkenntnis, ein Unfall, eine Krankheit oder ein anderes unvorhersehbares Ereignis sein. Die gefühlsmäßige Reaktion umfasst Niedergeschlagenheit, Interesselosigkeit, Unzufriedenheit, Verbitterung, Weinerlichkeit, Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung bis hin zu Selbstmordgedanken. Die körperliche Erschöpfung kann sich durch folgende Symptome bemerkbar machen: Energielosigkeit, Müdigkeit und Schlaflosigkeit zugleich, Muskelverspannungen, Rückenschmerzen, Gewichtsveränderungen, HerzKreislauf-Beschwerden, Magen-Darm-Probleme, Missbrauch von Kaffee, Zigaretten, Alkohol sowie anderen Drogen und Genussmitteln. Die geistige Erschöpfung kann sich in starkem Leistungsabfall sowie Konzentrations- und Gedächtnisproblemen zeigen. Burnout entwickelt sich schleichend und zieht sich durch mehrere Phasen. Betroffene zeigen anfänglich bei ihrer Arbeit meist hohen Einsatz und Idealismus und enden schließlich in Enttäuschung und Verzweiflung. In den Phasen dazwischen kommt es zu einem starken Abfall der Motivation und der Leistung, zum sozialen Rückzug, zu Interesselosigkeit und zum Verlust an Einfühlungsvermögen sich selbst und anderen gegenüber. Depressive, aggressive und zynische Gefühle machen sich bemerkbar. Auch körperliche Beschwerden wie Bauchdruck, Magenschmerzen, Durchfall, Verstopfung, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Störungen, Gewichtsveränderungen, Schwächeanfälle, Schwindel, Taubheitsgefühl, Muskelkrämpfe können immer wieder auftreten und abklingen oder dauernd vorhanden sein.
Burnout-Betroffene fühlen sich erschöpft, leisten tatsächlich weniger und haben sich von ihren eigenen Bedürfnissen entfremdet.
Wie kommt es zum Burnout?
Betroffene zeichnen sich meist auf Grund aufopfernder Persönlichkeitszüge aus. Die eigenen Bedürfnisse werden den Bedürfnissen anderer gegenüber zurückgestellt. Hohe Ansprüche an sich selbst, großes Bedürfnis nach Anerkennung und ein ausgeprägtes Gewissen sind charakteristisch. Diese Persönlichkeitsmerkmale stehen oft im Zusammenhang mit ungünstigen Einflüssen am Arbeitsplatz. Dabei kann es sich um schwierige und belastende Kontakte mit Mitarbeitern und Vorgesetzten handeln, um ermüdende und sinnlos erscheinende Bürokratie, um unklare Regeln im Betrieb, kaum beeinflussbare Entscheidungswege, Ablehnung von Eigeninitiative und Motivation, aber auch um mangelnde Solidarität zwischen Kollegen und Vorgesetzten oder um mobbing (englisch „Herfallen über jemanden“). Darüber hinaus können auch Konflikte und Probleme in der eigenen Familie sowie Verhaltensmuster aus der Herkunftsfamilie von Bedeutung sein. Schließlich sind auch wirtschaftliche, kulturelle, spirituelle und politische Hintergründe zu berücksichtigen (Leistungsgesellschaft).
Burnout entsteht durch Verleugnung von Stress
Betroffene haben im Laufe der Zeit einen Zwang entwickelt, sich ständig beweisen zu müssen, obwohl sie längst erschöpft und ausgebrannt sind. Menschen, die unter Burnout leiden, können schlecht „Nein“ sagen und sind nicht mehr imstande, ihre eigenen Bedürfnisse nach Ruhe und Erholung wahrzunehmen. Ihre Werte verändern sich, und auch der eigene Körper wird dabei oft vernachlässigt. Konflikte, Probleme und soziale Kontakte werden zunehmend gemieden. Betroffene betäuben sich oft mit Alkohol, mit Tabletten oder lenken sich durch noch mehr Arbeit, unkontrolliertes Essen oder rauschhaften Sex ab. Dieses selbst schädigende Verhalten ist ihnen nur teilweise oder gar nicht bewusst.
Wer hilft?
Der Weg aus dem Leiden und die Suche nach Gründen gelingt meist leichter, wenn man sich von einer Fachkraft helfen lässt. Ärzte und Psychotherapeuten können dabei gezielt unterstützen. Wenn Folgekrankheiten wie Depression, Angststörung oder Sucht entstanden sind, ist es unbedingt angeraten, Psychologen, Psychiater oder Fachleute der Suchtberatung aufzusuchen. Körperliche Beschwerden sind Warnsignale, die medizinisch vom Hausarzt oder Internisten abgeklärt und behandelt werden sollten. Dabei werden im ärztlichen Gespräch die Entstehungszusammenhänge offen angesprochen. Wenn Betroffene die Einsicht entwickeln, dass es so nicht mehr weiter gehen kann, sollen konkrete Veränderungen des eigenen Wertesystems und Lebensstils besprochen werden. Dabei können Betroffene viel für sich selbst tun. Burnout ist sehr gut beeinflussbar, auch und gerade durch Selbsterkenntnis und Selbsthilfe.
Was hilft?
Stress wahrnehmen, Einsatz verringern
Der Beginn jeder Hilfe gegen Burnout besteht darin, den bisher verleugneten oder verdrängten Stress wahrzunehmen und sich die psychische und körperliche Erschöpfung einzugestehen. Die Folge muss in der Verringerung des Einsatzes bestehen. Das kann dadurch geschehen, dass z. B. mehr Pausen gemacht werden, am Arbeitsplatz öfter als bisher ablenkende Gespräche stattfinden oder auf Mitarbeiter (öfters) aktiv zugegangen wird. Die Angst, wegen einer geringeren Arbeitsleistung nicht mehr geliebt und geachtet zu werden, muss dabei ausgehalten werden. Oft ist weniger mehr!
Die Sorge um sich selbst
Um aus dem Zustand des Ausgebrannt-Seins heraus zu kommen, müssen neue Überlegungen bezüglich bisheriger Arbeitsabläufe und Erholungsmaßnahmen angestellt werden. Hilfreich sind weiters Gedanken über all das, was man gerne machen oder tun würde, mit wem man gerne zusammen ist, welche Pläne und Wünsche man verwirklichen möchte. Dadurch können Distanz zu eingefahrenen Verhaltensmustern und neue Perspektiven für den Alltag gefunden werden. Dazu gehört auch, dass der Körper und seine Bedürfnisse (Hygiene, Ruhe und Bewegung) mehr Beachtung finden. Ganz von alleine entstehen daraus bisher vernachlässigte Werte.
Entspannung
Jeder Mensch kann seine eigene wohltuende Entspannung finden. Aber der Weg bis dahin ist oft nicht einfach. Es gibt aktive und passive Formen der Entspannung. Manchen Menschen helfen sportliche Betätigungen wie Radfahren, Schwimmen, Laufen oder längere Spaziergänge. Andere mögen künstlerische oder kulturelle Genüsse wie Malen, Tanzen, Theater, Musik. Autogenes Training, Yoga, Fantasiereisen und Massagen sind weitere Entspannungsverfahren, um sich zu erholen und abzuschalten. Die meisten Menschen werden mehrere Formen der Entspannung wählen und daraus eine erfüllende Abwechslung von Arbeit, Erholung und Ablenkung entstehen lassen.
Soziale Unterstützung
Zwischenmenschlicher Kontakt und regelmäßiger Austausch sind privat wie beruflich für unser Wohlbefinden außerordentlich hilfreich. Anerkennung und Wertschätzung sind wichtige Voraussetzungen, um sich gut entwickeln zu können. Oft bedarf es emotionaler Unterstützung, oft sachlichen Rates. Die sozialen Kontakte wirken dabei wie ein tragfähiges Netz, das Stabilität verleiht. Es ist auch durchaus erlaubt, zu klagen und zu schimpfen. Dadurch wird der aktuelle Stress bewusster und kann nicht so leicht verdrängt oder verleugnet werden.
Die Situation von außen betrachten (Supervision)
Ein Supervisor ist eine beratende Fachkraft, die mit ihrem Wissen und mit entsprechenden Vorgangsweisen helfen kann, eine festgefahrene berufliche Situation aus der Distanz zu betrachten. Daraus ergeben sich neue Blickwinkel, Verhaltensweisen und Lösungen für Probleme. Zur Supervision gehören das Nachdenken über sich selbst, die Selbstorganisation („Wie reagiere ich auf Stress?“), Überlegungen zum Umgang mit schwierigen Situationen und das Entwickeln neuer beruflicher Zielsetzungen. Diese Anliegen können sich auf einzelne Personen, aber auch auf Teams und Arbeitsgruppen beziehen.
Organisation und Arbeitsabläufe neu beurteilen
Die Organisationsentwicklung mit einer Fachkraft ermittelt in einem Betrieb bestehende Regeln und Werte, Rollen und Arbeitsaufträge, Führungsstile und Rahmenbedingungen (Zeitstruktur, Räume, Arbeitsteams, Personalschlüssel). Dabei wird der gewünschte Soll-Zustand mit allen Mitarbeitern besprochen und bearbeitet. Oft müssen dazu Rahmenbedingungen und Gesetzmäßigkeiten in Betrieben neu formuliert werden. Erstarrte Haltungen können sich auflösen, neue Verhaltens- und Kommunikationsmuster entstehen. In Umbruchsituationen haben auch Chaos und Unsicherheit für eine begrenzte Zeit ihre Berechtigung. Sie ermöglichen mehr Veränderung.
Selbsthilfegruppen – ich bin mit dem Problem nicht allein
In den Selbsthilfegruppen treffen sich Menschen mit ähnlichen Erfahrungen und Schwierigkeiten. Dieses Zusammenfinden führt aus der Isolation heraus, ermöglicht gegenseitigen Austausch über Wissenswertes zum Thema und über gemachte Erfahrungen und bietet Unterstützung durch die unterschiedlichen Fähigkeiten der Anwesenden. Selbstbestimmung im Umgang mit der eigenen Situation und auf der Suche nach Lösungen kennzeichnet die Selbsthilfegruppen. Zukunftsziele können mit Unterstützung der Gruppenmitglieder neu formuliert und aktiv angestrebt werden.
Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensphilosophie
Menschen, die den Sinn ihrer Arbeit und die Zusammenhänge ihres Wirkens verstehen und spüren, sind weniger gefährdet auszubrennen. Nach Viktor Frankl erfolgt auf der Suche und im Finden von Sinn die Selbstverwirklichung des Menschen. Neue Werte oder eine neue Reihenfolge alter Werte können die Lebensqualität günstig beeinflussen. Die eigenen Werte aufzulisten und von Zeit zu Zeit zu hinterfragen kann dabei sehr hilfreich sein.
Selbstachtung
Sich selbst annehmen lernen, mit sich selbst in Beziehung treten, eigenen Bedürfnissen nach Kontakten, Zuwendung, Sicherheit und Akzeptanz wieder auf die Spur kommen, ist kein einfacher Weg. Dialog und zwischenmenschlicher Respekt können hilfreiche Stützen sein, aber auch Bescheidenheit und Geduld. Auf dem Weg zur Selbstachtung braucht jeder sowohl die Nähe anderer Menschen als auch die Freiheit eigenständiger Entwicklungsmöglichkeiten. Manchmal hilft die Einsicht: Der Weg ist das Ziel!
Humor
Frohsinn und Lachen ist der Königsweg, um dem eigenen Treibhaus aus Druck und Befürchtungen zu entkommen. Humor ist die Chance, sich selbst beim Abstrampeln von außen zu betrachten und viel Heiteres an sich zu entdecken. Das Gute daran ist: Humor ist ansteckend!