Der Text stammt aus der Informationsbroschüre „Psychische Gesundheit im Kindes- und Jugendalter“, herausgegeben im Jahr 2014 vom Verband Ariadne und der Autonomen Provinz Bozen, Amt für Krankenhäuser unter der Mitarbeit von Veronika Hafner, Donatella Arcangeli, Luigi Basso, Irene Berti, Giovanni Cappello, Andreas Conca, Giulia Parolin, Roger Pycha und Georg Vallazza.
Fütterstörungen im Kleinkindalter
Fütterstörungen im Kleinkindalter (Kindergartenalter) und im Säuglingsalter kommen relativ häufig vor. Im Vorschulalter kann es vorkommen, dass Kinder nur wenige vertraute Speisen essen und neue, bisher unbekannte Nahrungsmittel verweigern. Bedrohlich wird es nur dann, wenn sehr wenige Speisen ausgewählt werden, sodass die Ernährung unausgeglichen wird und zu Mangelerscheinungen führen kann. Es ist wichtig, dass die Problematik durch eine Fachkraft (Pädiater/in, Ernährungstherapeut/in …) angemessen abgeklärt wird. Dabei spielt auch die Essenssituation in der Familie eine wesentliche Rolle. Hinter Essensverweigerung verbirgt sich nicht selten ein Autonomiebestreben des Kindes seinen Eltern gegenüber. Oft geht eine erzwungene Ernährungsgeschichte voraus. Deshalb ist es wichtig, keinen Druck auszuüben und z. B. stattdessen verschiedene Nahrungsmittel öfter am Tag in kleinen Portionen anzubieten.
Die Essenszeiten sollten nicht länger als 20 Minuten dauern. Im Kindergarten ist es hilfreich, dass mehrere Gleichaltrige den Mittagstisch teilen. Präventiv kann man vorbeugen, wenn man in der sensiblen Phase des 1. Lebensjahres (ab 6 Monaten) den Kindern verschiedene Geschmacksrichtungen zusätzlich zur Muttermilch anbietet – meistens in Breiform. In dieser Zeit akzeptieren die Kinder noch gerne neue Nahrungsmittel.
Befragungen von Müttern haben ergeben, dass ca. ein Viertel bis ein Drittel der Mütter von Ernährungsstörungen ihrer Kinder im Säuglingsalter (1. Lebensjahr) berichten. Dazu zählen die Nahrungsverweigerung sowie das willentliche Wiederaufstoßen von Nahrung (Rumination). Weiters zu erwähnen ist das Pica-Syndrom, bei dem es sich um das Essen von Substanzen ohne Ernährungswert handelt (z. B. Sand). Dies findet man bei schwerer geistiger Behinderung oder bei vernachlässigten Kindern. Es besteht die Gefahr eines Darmverschlusses oder der Vergiftung, daher muss besonders auf die Kinder geachtet werden.
Eher weniger oft kommt eine Dysfunktion der Mundmotorik vor. Diese beeinträchtigt den Saugreflex und tritt vor allem bei Frühgeborenen auf. Später kann auch das Kauen auf Grund der motorischen Schwierigkeiten problematisch sein. Bei strukturellen Veränderungen der Speiseröhre und des Gaumens oder bei Störungen der Magen- Darmmotorik sind evtl. chirurgische Eingriffe oder medikamentöse Unterstützung notwendig.
Anorexia nervosa – Magersucht
Jugendliche, welche an Magersucht leiden, haben eine extreme Angst, an Gewicht zuzunehmen. Sie versuchen trotz geringen Gewichts weiter abzunehmen, da sie ihren Körperumfang nicht realistisch einschätzen können und verzerrt wahrnehmen. Die Störung kommt vorwiegend bei Mädchen und Frauen vor und zeigt sich auch durch das Ausbleiben der Regelblutung auf Grund des großen Gewichtsverlustes. Auslöser sind u. a. Übergewicht, beschämende Bemerkungen von anderen Personen oder Angst vor der Sexualität. Die Einschätzung der Körperfigur von Betroffenen hat einen großen Einfluss auf ihr Selbstwertgefühl.
Sie wählen vorwiegend kalorienarme Speisen und sind übermäßig aktiv, um Kalorien zu verbrauchen. Außerdem werden manchmal auch Medikamente (z. B. Abführmittel) verwendet, um das Gewicht weiter zu verringern. Ein besonderes Risiko besteht in Familien mit perfektionistischen Tendenzen und geringen Fähigkeiten, Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche zu äußern. Die Mädchen zeigen sich folgsam und warmherzig und in ihrer Entwicklung bisher problemlos.
Kritische Zeiten, in der die Magersucht sich entwickelt, sind die frühe Adoleszenz und der Übergang von der Adoleszenz zum Erwachsenenalter (um das 18. Lebensjahr). Die präpubertäre Anorexia nervosa entwickelt sich vor dem 14. Lebensjahr. In diesem Falle bleibt die Gewichtszunahme vor der Pubertät aus. Es zeigt sich oft auch eine Verzögerung der Knochenreife. Die körperlichen und psychischen Schäden können bleibend sein, deshalb ist eine Intervention unbedingt ratsam.
Symptome und Verhalten anorektischer Jugendlicher
Anorektische Jugendliche steigen mehrmals am Tag auf die Waage, um das Gewicht zu kontrollieren, oder sie kontrollieren vor dem Spiegel ihren Körper. Beim Einkaufen wird vor allem auf kalorienarme Nahrung geachtet. Sie essen oft alleine und auch sehr langsam. Auffallend ist ihre Tendenz zur Leistung, sei es in der Schule, als auch bei körperlichen Aktivitäten (hoher Einsatz im Sport und lange Spaziergänge). Sie tendieren dazu, alles sehr zwanghaft zu planen, zu zählen (z. B. die Kalorien), zu kontrollieren.
Manche Jugendliche halten die geringe Nahrungsaufnahme lange durch, bei anderen kommt es nach einiger Zeit zu Essattacken. Sie nehmen dann große Mengen an hochkalorischer Nahrung zu sich und erbrechen diese dann willentlich (bulimischer Subtyp). Diese Attacken kommen von einmal pro Woche bis täglich vor. Dabei stellen sich Gefühle des Kontrollverlustes ein. Häufig werden auch Abführmittel eingenommen, um das Gewicht niedrig zu halten.
Sozial ziehen sie sich von Freunden eher zurück, verlieren auch das Interesse am anderen Geschlecht oder tendieren dazu, sich stark an ihre Familie zu binden. Begleit- bzw. Folgeerscheinungen können sein: geringe Selbstachtung, Depressionen, Konzentrationsstörungen, Kälteempfindlichkeit, Schlaflosigkeit und dissoziale Symptome (manche stehlen Nahrungsmittel).
Ursachen der Störung
Die Anorexie ist keine Modeerscheinung, sondern eine historisch schon früh beschriebene Störung. In unserer Zeit wird allerdings in den westlichen Industrieländern über die Medien ein Bild der Frau vermittelt, wo Aussehen und Figur einen besonderen Stellenwert haben. In den Zeitschriften werden verschiedenste Diäten angeboten. Diese Faktoren sind zweifellos Mitauslöser der Krankheit. Unabhängig vom Schlankheitsideal wird aber auch eine genetische Disposition diskutiert, wonach ungünstige Temperamentseigenschaften den Betroffenen es erschweren, Gefühle zu steuern und sichere Bindungen einzugehen. In betroffenen Familien kommen häufiger psychische Störungen vor. Eltern leiden z. B. an Depressionen, Alkoholproblemen, Missbrauch von Medikamenten … Manche Experten vertreten die Meinung, dass die betroffenen Mädchen sich durch die Essstörung weigern, die Frauenidentität zu übernehmen.
Weitere Auslöser für die Störung sind häufig auch sehr belastende Situationen in der Schule (Prüfungen, Schulabschluss, Druck mit der Berufswahl …) oder in der Familie (Trennung, Trauerfälle, Krankheit, Geburt eines Geschwisterkindes …). Manche Betroffene haben das Gefühl, den Ansprüchen der Eltern niemals zu entsprechen. Selbstständigkeit und Individualität können kaum entwickelt werden. Oft zeigen sich bei den Jugendlichen wenig Möglichkeiten, die eigenen Gefühle und Wünsche zum Ausdruck zu bringen; sie bemühen sich sehr um die Erfüllung der Ansprüche und Wünsche anderer und schützen sich selbst hinter Perfektion. Sie kämpfen darum, sich Liebe und Anerkennung zu verdienen. Aus der Sicht der systemischen Familientherapie hungern Magersüchtige als Reaktion auf Familienprobleme.
Das Familienklima ist häufig von Rationalität geprägt. Gefühle werden kaum gezeigt. Die Eltern sind hinter ihrer äußeren Fassade oft unglücklich. Manchmal war das Kind nicht gewünscht oder ein anderes Geschlecht gewünscht. Mütter lehnen oft die Sexualität ab und vermitteln ihren Töchtern ein Bild der Frau als Opfer, in Abhängigkeit mit Leiden und Pflichterfüllung.
Behandlung
Als sinnvoll erweist sich ein Therapieplan, in dem die Patientinnen/Patienten über Ziele und Vorgangsweise aufgeklärt werden und womit sie sich dann auch einverstanden erklären (Therapievertrag). Von großer Bedeutung ist es, das Gewicht zu normalisieren. Dabei gibt es oft große Widerstände. Häufig bedarf es einer stätionären Behandlung. Bei lebensbedrohlichen Zuständen sind Zwangsmaßnahmen erforderlich. Die Behandlung auf einer Station dauert zwischen 6 und 8 Wochen, bei Bedarf auch länger. Dieser schließt sich eine teilstationäre und/oder ambulante Behandlung an. In leichteren Fällen ist auch nur eine ambulante oder teilstationäre Behandlung ausreichend.
Manche Therapieformen bemühen sich, die Patientinnen/Patienten mit sich und ihren Gefühlen und Bedürfnissen näher in Kontakt zu bringen. Die kognitive Verhaltenstherapie versucht, die verzerrte Sicht von Körperumfang und die Angst vor Gewichtszunahme positiv zu verändern. Dabei spielt Psychoedukation eine große Rolle. In der Familientherapie wird das ganze System behandelt. Die Entwicklung von Selbstständigkeit und die Autonomiebestrebungen der Patientin/des Patienten werden vordergründig bearbeitet.
Prognose
Die Erkrankung vollzieht sich meist über mehrere Jahre (zwei bis drei). Etwa bei einem Drittel kommt es zum Abklingen der Störung, bei einem weiteren Drittel muss man weiterhin mit Essproblemen rechnen. In 5 bis 20 % (je nach Untersuchung) kommt es zum Tod, oft durch Suizid oder durch Folgen des Untergewichts. Eine günstige Prognose zeigt sich, wenn die Therapie früh begonnen wird und die Betroffenen freiwillig in die Behandlung einwilligen. Auch eine positive Beziehung zu den Eltern hat einen günstigen Einfluss.
Bulimia nervosa – Ess-Brechsucht
Bei dieser Störung treten regelmäßige Essattacken auf. Diesen gehen meistens strenge Diäten voraus. Betroffene Jugendliche führen dann willentliches Erbrechen herbei oder nehmen Abführmittel, um das Gewicht unter Kontrolle zu haben. Während der Essanfälle wird in kurzer Zeit hochkalorische Nahrung zu sich genommen. Meistens essen Betroffene heimlich, weil sie sich wegen dieses unkontrollierten Essverhaltens schämen. Auch sie konzentrieren sich häufig auf die Kontrolle des Gewichtes und der Figur. Sie essen oft unregelmäßig und schränken die Nahrungsaufnahme zwischen den Essattacken stark ein. Während der Essattacken unterliegen sie einem starken Zwang und verlieren die Kontrolle, das Essen zu beenden – trotz Völlegefühl. Die Folgen sind starke Schuldgefühle, ein geringes Selbstwertgefühl, soziale Isolation und oft auch starke depressive Gefühle.
Folgeerscheinungen
Durch das Erbrechen und durch die Einnahme von Abführmitteln kommt es zu Störungen im Mineralstoffhaushalt. Das regelmäßige Erbrechen kann auch Zahnschäden und Schäden der Speiseröhre, des Magens sowie Nierenschäden zur Folge haben.
Verlauf
Die Störung verläuft meistens über mehrere Jahre, etwa ein Viertel der Fälle chronifiziert. Bei genauso vielen kommt es zu einer Folgeerkrankung in Form einer Depression oder einer Angststörung, manche tendieren zu Alkohol- und Drogenmissbrauch oder entwickeln eine Persönlichkeitsstörung.
Therapie
In manchen Fällen reicht eine ambulante Behandlung, manchmal ist aber auch eine stationäre Betreuung notwendig. Es werden Gruppen- und Einzeltherapie empfohlen. Durch Tagebuchaufzeichnungen können Betroffene leichter erkennen, wann es zu den Essattacken kommt. Weiters hilft Aufklärungsarbeit über gute Ernährung, um das Essverhalten zu verändern. Medikamentös wurden bisher vor allem Antidepressiva erfolgreich eingesetzt.
Adipositas (Fettsucht) und Binge Eating Disorder (Essanfälle)
Übergewicht im Kindes- und Jugendalter ist in den westlichen Ländern weit verbreitet, und es ist ein stetiger Anstieg festzustellen. Diese Entwicklung ist vor dem Hintergrund einer Umwelt zu sehen, in der nicht länger das Suchen und Finden, sondern das Entscheiden, wann, welche und wie viele Nahrungsmittel eingenommen werden sollen, von Bedeutung ist.
Neue Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass eine bedeutende Anzahl übergewichtiger Kinder anfallsartige Essattacken haben (binge eating). Dies kann zur Entwicklung einer echten Krankheit von Essanfällen (Binge Eating Disorder) führen.
Übergewicht und Adipositas im Kindesalter werden meist mittels Body-Mass-Index (BMI) erhoben. Um das fortschreitende Längenwachstum der Kinder und Jugendlichen zu berücksichtigen, werden die BMI-Werte in Beziehung zu Alters- und Geschlechtsreferenzen gesetzt.
Das Risiko für ein adipöses Kind, auch als Erwachsener übergewichtig zu sein, steigt mit zunehmendem Alter. Hat ein adipöses Kind vor dem 3. Lebensjahr noch ein geringes Risiko, auch als Erwachsener adipös zu sein, so beträgt es bei einem 10- bis 14-Jährigen bereits 80 %, wenn zusätzlich ein Elternteil ebenfalls adipös ist.
Wie sehen Essanfälle bei Kindern aus?
Essanfälle treten häufig bei übergewichtigen Kindern auf, können jedoch auch bei normalgewichtigen Kindern vorkommen. Bei Kindern scheint, im Gegensatz zu Erwachsenen, weniger die gegessene Nahrungsmenge an sich, als vielmehr das subjektive Gefühl des Kontrollverlusts ausschlaggebend zu sein. Aus diesem Grund wird bei Kindern neben dem Begriff »Essanfall« häufig auch der Begriff »Essen mit Kontrollverlust« verwendet.
Ein Essanfall bzw. das Essen mit Kontrollverlust ist von
A) der Suche nach Nahrung in Abwesenheit von Hunger (z. B. nach einer Mahlzeit) und dem
B) Gefühl der fehlenden Kontrolle über das Essen (z. B. wenn das Kind einmal mit dem Essen anfängt, kann es nicht mehr aufhören) gekennzeichnet.
Weitere typische Merkmale bei Kindern mit Essanfällen sind:
– Essen als Reaktion auf negativen Affekt (z. B. Traurigkeit, Langeweile, Unruhe)
– heimliches Essen oder Nahrungsmittel verstecken
– Suchen nach Nahrung als Belohnung
– Gefühle von Benommenheit/Taubheit während des Essens
– negative Gefühle als Folge (z. B. Schuld- und Schamgefühle)
Folgeerscheinungen von Übergewicht
Bereits bei Kindern treten mit hoher Wahrscheinlichkeit körperliche Folgen des Übergewichtes auf, wie schnelleres Wachstum, Stabilität der Adipositas, Fettstoffwechselstörungen und erhöhter Blutdruck. Übergewichtige Kinder leiden auch häufig unter Schlafapnoe (Atempausen während des Schlafes, die zu einer schlechten Schlafqualität und wenig Erholung führen), Gelenkproblemen und Diabetes mellitus. Das Arterioskleroserisiko steigt ebenfalls an. Adipöse Kinder haben aber auch mit Ablehnung und Ausgrenzung zu kämpfen und einer eindrücklichen Beeinträchtigung der Lebensqualität. Eine Vielzahl von adipösen Kindern hat zudem zusätzliche Probleme wie z. B. Ängstlichkeit, Depressivität, Rückzug, geringer Selbstwert und Somatisierung.
Entstehung von Übergewicht
Der Einfluss genetischer Faktoren auf den individuellen BMI ist belegt, so gibt es »schlechte« und »gute Futterverwerter«, die bei der gleichen Menge an Nahrung unterschiedlich viel Energie in Form von Fett abspeichern. Wer ein »schlechter« und wer ein »guter« Futterverwerter wird, ist also erblich vorbestimmt. Ob es jedoch tatsächlich zu einer Adipositas kommt, hängt entscheidend von Umgebungsfaktoren ab. Ungünstig wirken sich hier z. B. falsche Ernährung (unregelmäßiges, schnelles oder falsches Essen), wenig körperliche Bewegung (häufiges Sitzen und Herumliegen, viel Fernsehen und Computer spielen), Essen, um unangenehme Gefühle wie z. B. Traurigkeit, Wut, Sorgen oder Langeweile »weg zu essen«, ungünstige Vorbilder in der Familie oder im Freundeskreis.
Zusammengefasst kann also festgehalten werden, dass eine fettreiche Ernährung und wenig Bewegung bei vorhandener Veranlagung zu Übergewicht führen können. Eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung dagegen ermöglichen auch bei ungünstigen Voraussetzungen ein tieferes Gewicht.
Entstehung von Binge-Eating-Disorder
Aktuelle Forschungsbefunde gehen davon aus, dass Essanfälle bei Kindern einerseits durch ein ungünstiges (= unregelmäßiges, unstrukturiertes) Essverhalten und eine einseitige, wenig ausgewogene Ernährung begünstigt werden können. Andererseits spielen Schwierigkeiten bei der Kontrolle und Regulation von Gefühlen und Impulsen (= Selbstregulationsfähigkeit) eine wichtige Rolle, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Kinder auf unangenehme Gefühle mit Essen reagieren, um sich kurzfristig zu beruhigen. Durch eine ungünstige Ernährung und die Verfügbarkeit von essanfallstypischen Nahrungsmitteln, aber auch durch häufig auftretende negative Gefühle (z. B. Langeweile, Traurigkeit, Einsamkeit, Unruhe) kann diese Tendenz weiter aufrechterhalten werden.
Behandlung der Adipositas
Die Indikation einer Behandlung hängt insbesondere vom Alter des Kindes ab. Bei Kindern ist die Veränderung des familiären Lebensstils eine Bedingung, ohne die die meisten therapeutischen oder präventiven Bemühungen langfristig wirkungslos bleiben. So richten sich Interventionen zur Steigerung von Bewegung, Umstellung der Ernährung oder Veränderung des Essverhaltens bei kleinen Kindern bis zu 8 Jahren fast ausschließlich an die primären Bezugspersonen. Auch im Alter zwischen 8 und 12 Jahren stellen die Eltern die primären Ansprechpartner der Behandlung dar. Bei älteren Kindern und Jugendlichen sollte dann die Behandlung auf eine schrittweise Übernahme der Selbstverantwortung und -kontrolle „unabhängig“ vom Umfeld ausgerichtet werden.
Behandlungsziele bei Adipositas sind:
– Aufbau von Motivation für Verhaltensänderungen
– Veränderung des Ess- und Ernährungsverhaltens
– Veränderung des Bewegungsverhaltens
– Gewichtsstabilisierung (bei Kindern die noch wachsen) bzw. Gewichtsreduktion (bei Kindern und Jugendlichen mit abgeschlossenem Längenwachstum)
Die Veränderungen im Ess-, Ernährungs- und Bewegungsverhalten betreffen in der Regel die gesamte Familie, also Eltern und Geschwister, und mitunter auch das weitere Umfeld.
Behandlung der Binge Eating Disorder
Das Hauptziel der Behandlung der Binge Eating Disorder ist die Bewältigung der Essanfälle. Erst in einem zweiten Schritt, zu einem späteren Zeitpunkt, wird eine schrittweise Gewichtsabnahme im Vordergrund stehen. So sollten zunächst keine Gewichtsziele gesetzt werden, sondern genau beobachtet und herausgefunden werden, welche die Auslöser für Essanfälle sind. Anschließend werden Strategien erlernt, wie Essanfälle verhindert, gestoppt oder unterbrochen werden können. Dabei ist die Verbesserung der Fähigkeit, mit unangenehmen Gefühlen umzugehen und Impulse zu regulieren, besonders relevant.
Wichtig ist außerdem die Einnahme regelmäßiger und ausgewogener Mahlzeiten und das Einhalten bestimmter Essverhaltensregeln (z. B. Zeitpunkt und Ort der Nahrungsaufnahme). Das Ziel dabei ist, dem Erleben von Enthemmung bezüglich der Nahrungszufuhr entgegenzuwirken. Der Einbezug der Eltern erleichtert die Einbettung und langfristige Stabilisierung der Verhaltensänderungen im familiären Alltag.