Der Artikel ist in der Zeitung des Verbandes „Selbsthilfe-Auto Aiuto“ Nr. 3/2015 erschienen.

Wie viele Kinder haben Sie?
Wir haben 2 Töchter.

Wann haben Sie bei Ihrem erkrankten Kind erste Probleme festgestellt und wie sahen diese aus? Wie alt war Ihr Kind damals?
Die Jüngere war immer schon sensibel, ehrgeizig und stellte sehr hohe Ansprüche an sich selbst. Im Alter von 20 Jahren, im 2. Studienjahr klagte sie über Konzentrationsschwierigkeiten, zog sich zunehmend zurück und hatte immer wieder gesundheitliche Probleme. Irgendwann hatte ich den Verdacht, dass es sich um eine Depression handeln könnte. Sie begann mit einer medikamentösen Behandlung und gleichzeitig mit einer Psychotherapie. Nach 2 Monaten brach sie zuerst medikamentöse Behandlung und Psychotherapie und dann auch das Studium ab, und kam nachhause. Wir konnten sie nicht dazu bewegen, sich in Behandlung zu begeben und wir mussten zusehen, wie sie immer mehr außer sich geriet.

Wie haben Sie und Ihr Partner diese Situation erlebt? Was war das schlimmste für Sie beide?
Wir waren sehr hilflos, wir haben unsere Tochter nicht wiedererkannt. Schließlich blieb uns nichts anderes übrig, als sie ins Krankenhaus zu bringen. Der Aufenthalt in der Psychiatrie war für mich persönlich nach der letzten Zeit zuhause fast eine Erleichterung, weil ich mich nicht mehr getraut hatte, sie außer Augen zu lassen.

Waren Sie und Ihr Partner sich im weiteren Vorgehen einig, oder ging auch Ihre Beziehung durch eine harte Zeit?
Wir waren uns im weiteren Vorgehen nicht immer einig, mein Mann hätte sie sofort aus dem Krankenhaus geholt. Einig waren wir uns darüber, dass wir alles versuchen werden, ihr zu helfen.

Wie haben Ihre anderen Kinder diese Zeit erlebt? Haben Sie sie miteinbezogen, Ihnen alles erklärt?
Unsere ältere Tochter ist natürlich mit einbezogen, ich bin aber froh, dass sie sich die nötige Distanz behält. So behält einer in der Familie immer die Nerven.

Wurde bei Ihrem Kind eine psychiatrische Diagnose gestellt bzw. wie gingen sie vor?
Bei ihrer Einlieferung litt unsere Tochter an einer Psychose, im Laufe ihres Aufenthalts stellten die behandelnden Ärzte die Diagnose „Verdacht auf bipolare Störung“.

War sich Ihr Kind der Problematik bewusst? Wie reagierte es Ihnen gegenüber?
Unsere Tochter war sich der Problematik nur begrenzt bewusst. Mir gegenüber reagierte sie zeitweise sehr abweisend, weil ich sie in die Psychiatrie gebracht hatte, in dieser Zeit hat sie sich mehr an ihren Vater gewandt.

Was haben Sie als besonders belastend erlebt? Was hat sie besonders betroffen gemacht?
Besonders belastend war, dass wir sehen mussten, dass die Ärzte und Psychologen in der Psychiatrie keinen Zugang zu ihr finden konnten.

Wissen Ihre Angehörigen, Ihre Freunde Bescheid?
Unsere Angehörigen und Freunde wissen Bescheid, der Aufenthalt in der Psychiatrie ließ sich nicht verheimlichen. Über die Diagnose wissen nur die engsten Angehörigen Bescheid.

An wen können Sie sich mit Ihren Sorgen, Enttäuschungen und Ängsten wenden?
Wir haben einige Verwandte und Bekannte, die Erfahrung mit psychischen Erkrankungen haben und die auf uns zugekommen sind und uns ihre Hilfe angetragen haben. Mit diesen können wir ganz gut über unsere Probleme reden. Mir persönlich hilft der Besuch der Selbsthilfegruppe.

Nehmen Sie auch Hilfe von außen in Anspruch?
Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus haben wir die Betreuung durch das ZPG in Anspruch genommen. Unsere Tochter konnte jedoch zu den ihr zugewiesenen Sozialbetreuern, Ärzten und Psychotherapeuten kein Vertrauen aufbauen, deshalb haben wir uns an einen anderen Arzt gewandt. Dieser hat als erstes die medikamentöse Behandlung geändert, da unsere Tochter unter starken Nebenwirkungen der Medikamente litt. Wir haben auch eine Psychotherapeutin gefunden, mit der sie besser zu Recht kommt. Inzwischen, nach fast eineinhalb Jahren mit Höhen und Tiefen ist sie medikamentös gut eingestellt.

Was hat Ihnen bisher geholfen? Auf welche inneren und äußeren Ressourcen können Sie zurückgreifen?
Wir haben gesehen, dass es viele Menschen auch in unserem Bekanntenkreis gibt, die psychische Probleme haben  und eigentlich ganz gut damit leben können, das gibt uns Zuversicht.

Können Sie Verantwortung für Ihr erkranktes Kind abgeben? An wen?
Wir versuchen, ihr die Verantwortung für sich selbst wieder zurückzugeben. An andere abgeben ist schwierig, sie ist ja erwachsen.

Was gibt Ihnen immer wieder Mut und Hoffnung?
Mut und Hoffnung gibt uns, dass es ihr endlich bewusst geworden ist, dass sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen muss und dass sie das jetzt auch macht. Wir freuen uns über die Fortschritte, die sie macht, wenn es auch sehr langsam geht. Ich versuche, mich auf das Positive zu konzentrieren. Aber das gelingt mir nicht immer.

Hat die Erkrankung auch etwas Positives für Ihre Familie bzw. für Ihr Familienleben gebracht?
Soweit bin ich noch nicht, dass ich etwas Positives erkennen kann.

Würden Sie heute zurückblickend anders vorgehen?
Ich würde sicherlich mit mehr Nachdruck und vor allem früher darauf bestehen, dass sie ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt. Aber wir hatten halt auch keine Erfahrungen mit einer solchen Erkrankung.

 

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